Das Rettungsschiff Sea-Watch 3 ist von Sizilien aus zu einer neuen Rettungsfahrt im Mittelmeer aufgebrochen. Es ist die erste Mission nach einer rund sechsmonatigen Beschlagnahmung durch italienische Behörden; zudem fährt das Schiff erstmals unter deutscher Flagge in das Such- und Rettungsgebiet nördlich der libyschen Küste.

Sea-Watch habe sich zum Flaggenwechsel gezwungen gesehen, "weil der bisherige Flaggenstaat Niederlande der Organisation politisch motivierte Regularien auferlegte, um weitere Rettungsmissionen unmöglich zu machen", teilte die Organisation mit. Zudem kritisierte Sea-Watch die Beschlagnahmung des Schiffs in Italien: "Hunderte Menschen sind ertrunken, während die Sea-Watch 3 unrechtmäßig festgehalten wurde", sagte Johannes Bayer, Einsatzleiter des Schiffes.

Mitte Dezember hatte ein Richter in Palermo die Beschlagnahmung der Sea-Watch 3 aufgehoben. Italienische Behörden hatten das Schiff am 29. Juni nach einem Anlandemanöver in Lampedusa unter Leitung der Kapitänin Carola Rackete zunächst zur Beweismittelsicherung beschlagnahmt. Am 25. September hob die Staatsanwaltschaft von Agrigent diese Vorkehrung zwar auf, daraufhin wurde das Schiff aber wegen wiederholter Verstöße gegen ein Sicherheitsdekret festgehalten, das der ehemalige Innenminister Matteo Salvini erlassen hatte. Seither befand sich die Sea-Watch 3 im sizilianischen Hafen Licata.

1.277 Tote und Vermisste

Nach aktuellen Schätzungen des Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind in diesem Jahr 1.277 Menschen im Mittelmeer ertrunken oder gelten als vermisst. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zahl fast halbiert: 2018 waren es 2.277 Tote und Vermisste. Dagegen kamen in diesem Jahr 100.151 Menschen über den Seeweg in Europa an, 22.903 weitere kamen über verschiedene Landwege.

Am Wochenende erreichten mehr als 450 Menschen die griechischen Küsten, wie das Staatsradio ERT unter Berufung auf die Küstenwache in Piräus berichtete. Von dort aus werden sie in eines der völlig überfüllten Registrierlager gebracht. Die Anlagen sind nur für 7.500 Menschen ausgelegt, beherbergen derzeit aber mehr als 42.000 Menschen, darunter mehr als 5.200 unbegleitete Minderjährige. Hilfsorganisationen kritisieren die schlechte humanitäre Situation vor Ort: Viele Geflüchtete leben in Zelten und Hütten, die sie mit Plastikplanen und Zweigen gebaut haben und können sich kaum vor Kälte und Nässe schützen. Die Lage habe sich mit dem Wintereinbruch verschlimmert, nachts fallen die Temperaturen auf unter fünf Grad Celsius.

Hilfswerke bitten um Unterstützung

Angesichts der Situation fordert das Hilfswerk Caritas sofortige Hilfen für die Flüchtlingslager. Die Organisation selbst werde ihre Winterhilfe um 50.000 Euro aufstocken und vor allem mehr wärmende Decken und Hygieneartikel auf die Inseln bringen. Daneben organisiert die Caritas psychologische Betreuung, medizinische Versorgung und Sprachkurse.

Auch die Regensburger Hilfsorganisation Sea-Eye, die das Rettungsschiff Alan Kurdi betreibt und am zweiten Weihnachtsabend 32 Menschen aus einem Kunststoffboot rettete, will Hilfsgüter nach Griechenland schicken. Wie der Bayerische Rundfunk berichtet, sind bereits über 60 Tonnen Spenden zusammengekommen, die nun sortiert und verpackt werden. Benötigt werden laut Sea-Eye Gründer Michael Buschheuer noch "schwere Winterklamotten, also Dinge, die man braucht, wenn man draußen lebt, Schlafsäcke, stabile Zelte, schwere Stiefel und dergleichen".

Auch jenseits des Mittelmeeres versuchen die Menschen mit Booten europäisches Festland zu erreichen. Zuletzt hatten französische Einsatzkräfte 19 Migranten auf dem Ärmelkanal gerettet, die mit einem kleinen Sportboot nach Großbritannien gelangen wollten. Das Boot war nach Angaben der französischen Marine am Sonntagabend rund sieben Kilometer vor der Küste von Dünkirchen in Not geraten. Ein Marinehubschrauber, ein Patrouillenboot des Zolls, ein Seenotrettungskreuzer und ein Fischerboot kamen den Insassen zu Hilfe.