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Mord oder Selbstmord? Forscher lösen Rätsel merkwürdiger Blutspritzer

Blutspuren am Tatort können entscheidende Hinweise auf den Tathergang geben. Nun sind Experten in einem spektakulären Fall einem Phänomen bei Blutspritzern auf die Spur gekommen.
Bluttropfen auf weißem Untergrund

Bluttropfen auf weißem Untergrund

Foto: Jernej Turinek / EyeEm / Getty Images

Der Tod von Schauspielerin Lana Clarkson gehört zu den aufsehenerregendsten Kriminalfällen der US-Geschichte. Im Februar 2003 war Clarkson auf dem Anwesen des berühmten Musikproduzenten Phil Spector ums Leben gekommen. Sie starb durch einen Revolverschuss in den Mund. Laut Spector hatte Clarkson sich angeblich aus Versehen das Leben genommen, als sie die Waffe geküsst habe.

Doch an der Darstellung kamen Zweifel auf – auch weil bekannt wurde, dass Spector zuvor schon mehrfach Frauen bedroht haben soll. Während des späteren Gerichtsverfahrens argumentierte der Anwalt des exzentrischen Musikers, dass Spector gar nicht der Schütze gewesen sein könne, denn auf seinem weißen Smoking wurden nur einige wenige winzige Blutspritzer gefunden. Hätte Spector die Waffe abgefeuert, dann müsste das Jackett über und über mit Blut bespritzt sein.

Das Argument beschäftigte auch den Wissenschaftler Alexander Yarin, ein Experte für Strömungsdynamik von der University of Illinois in Chicago. Zusammen mit Kollegen begann er, sich die Physik von fliegenden Blutspritzern durch Schussverletzungen genauer anzuschauen. Und laut seiner Studie, die nun im Fachmagazin »Physics of Fluids«  erschienen ist, könnte Spector selbst dann der Täter sein, wenn nur wenig Blutspuren auf seiner Kleidung zu finden sind. Der Grund dafür sind die Treibgase, die bei der Explosion des Schießpulvers an der Mündung einer Waffe auftreten, wenn das Projektil mit großer Geschwindigkeit austritt.

Bei Schussverletzungen kommt es manchmal zu einem sogenannten Backspatter: Beim Auftreffen des Geschosses auf den Körper spritzt das Blut in die entgegengesetzte Richtung der Kugel. Dieses Wissen nutzen Forensiker beispielsweise, um einen Selbstmord zu identifizieren. Denn wenn jemand die Waffe gegen sich selbst richtet, müssten an der Schusshand Blutspritzer zu sehen sein.

Turbulente Wirbelringe aus Mündungsgasen

Allerdings kann dieser Effekt auch umgedreht werden, wie die Forscher feststellten. Dann spritzt das Blut in die andere Richtung weg vom Schützen, es kann sogar hinter dem Opfer landen. »Beim Schießen auf kurze Distanz stören die Mündungsgase die Blutspritzer und lenken Tröpfchen ab«, wird Yarin in einer Mittelung zitiert.

Verantwortlich für den Umkehreffekt auf kürzere Distanz sind wohl turbulente Wirbelringe aus Gasen, die bereits durch Hochgeschwindigkeitskameras visualisiert  werden konnten. Sie können die Bildung und Größe von Bluttröpfchen drastisch verändern. Für die Studie hatten die Forscher zunächst Simulationen errechnet, die vorhersagen sollten, wie sich das Blut unter bestimmten Voraussetzungen verhält. In Experimenten konnte die Simulationen dann belegt werden.

Schussspritzer sind von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. Dazu zählen beispielsweise Form und Größe des Projektils, seine Geschwindigkeit, der Abstand von der Waffe zur Eintrittsstelle und ob die Kugel wieder aus dem Körper austritt. Auch Luftfeuchtigkeit und Raumtemperatur spielen eine Rolle. Typischerweise bestehen Spritzer nach vorn aus einem feinen Nebel und Spritzer nach hinten aus größeren aber weniger Tropfen.

Doch wenn ein Schütze in einem bestimmten Winkel oder Abstand zu seinem Opfer steht, dann kann er nahezu keine Blutspritzer abbekommen, so die Studie. »Ich glaube, unsere Arbeit beweist im Wesentlichen, dass solche Schützen trotzdem schuldig sein könnten«, so Yarin, der sich schon länger mit dem Thema beschäftigt und dazu bereits mehrere Studien veröffentlicht hat, die teils auch vom US-Justizministerium finanziert wurden. »Es gibt eine Erklärung dafür, warum Spectors Outfit sauber gewesen sein könnte«, sagt der Wissenschaftler.

Doch die weiße Weste hat Spector am Ende nicht viel genützt. Der Musikproduzent wurde 2009 zu 19 Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt. Er starb Anfang des Jahres im Alter von 81 Jahren – möglicherweise an den Folgen von Covid-19.

Die Forscher wollen ihre Arbeit aber fortsetzen, um forensische Modelle bei Gewalttaten weiter zu verbessern. Beispielsweise deute sich an, dass auch die Anzahl und Position der Knochen nahe der Eintrittswunde einen Einfluss haben.

joe
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